Selbst der Philosoph staunte - Vor 100 Jahren wurde die SpVgg Fürth ins Leben gerufen
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Hermann Glockner, der in Fürth geborene Philosoph und bedeutende
Hegelforscher, hatte in seiner Jugend nicht viel übrig für
Fußball. Ein- oder zwei Mal nur, schreibt er in seinen 1970
erschienenen Memoiren, sei er damals, vor dem Ersten Weltkrieg,
dabei gewesen, wenn sich Tausende auf dem Sportplatz drängten. Erst
später, als Professor in Heidelberg, Gießen und Braunschweig,
verstand Glockner, immer wieder auf seine Fürther Herkunft
angesprochen, die Tragweite der damaligen Ereignisse, vor allem der
Meisterschaft von 1914: "Die Namen der einzelnen
Mannschaftsmitglieder", wunderte er sich, "waren bekannter
als die Namen unserer größten Dichter." Akademisch und
schön, mit unvergleichlicher Technik hätten sie gespielt die
Kleeblättler, und so sei Fürth auch als Sportstadt berühmt
geworden, erinnert sich Glockner schließlich nicht ohne Stolz.
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1903: Die Spieler der ersten Stunde - Hans Ruff, Peter, Barthel, Erhard Ruff, Kleininger, Stöhr (hinten v. l.) und Kleininger, Weigmann, Leber (unten v. l.)
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Heute, am 23. September 2003, wird die SpVgg Greuther Fürth 100
Jahre alt. Der junge Fußballklub, zunächst als Unterabteilung des
TV 1860 gegründet, nähte sich das Stadtwappen auf die Brust:
Schwarze Hose, weißes Hemd und auf der Brust das Kleeblatt - als
sich die I. Mannschaft der SpVgg im Jahr 1905 erstmals mit dem noch
recht ungelenk aus Stoff zugeschnittenen Emblem zeigte, glaubten
sicher kaum die kühnsten Optimisten, dass es geradezu zum
Gütesiegel des deutschen Fußballs in seiner Anfangszeit werden
sollte.
Die Bevölkerung, zumal die um das erste Vereinslokal in der
Gustavstraße herum, betrachtete das Spektakel mit der bis heute
typischen Fürther Haltung, allem neuen zwar mit Toleranz, aber
einer großen Portion Skepsis zu begegnen. Sprüche wie "Etz
sinn's ganz verrückt gword'n" legt ein zeitgenössischer
Chronist den Bürgern in den Mund - ganz geheuer waren die Typen,
die mit selbstgezimmerten Latten, einer Lederkugel und - trotz Wind
und Wetter - kurzen Hosen zum Schießanger liefen, den Leuten sicher
nicht.
Der lokalen Presse ist die Gründung der SpVgg keine Zeile wert -
bei gerade mal 28 Mitgliedern, die man bis zum Jahresende 1903
zählen konnte, verständlich.
Warum die Bedeutung des Fußballs und, einhergehend, die der SpVgg
für Fürth in den ersten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts
geradezu explosionsartig wuchs, verlangt nach einer eigenen,
sozio-kulturellen Betrachtung. Uwe Wick schreibt vor drei Jahren
anlässlich des hundertjährigen DFB-Jubiläums im Katalog der
Fußballausstellung "Der Ball ist rund", dass Fußball "Aufregung,
Abenteuer, Wettkampf, Gemeinschaft und eine ganz neuen Umgang mit
Ball und Körper" versprach und schon allein deshalb für
Jugendliche attraktiv gewesen sei, weil er von der Öffentlichkeit
heftig attackiert wurde.
Andererseits wurde der Fußball in seinen Anfängen auch vom
Großbürgertum getragen. Das war gerade in Fürth durch die
Entwicklung zu einer prosperierenden Industriestadt wohlhabend
geworden. Gönner fanden die Möglichkeit, sich zu präsentieren,
der Ausflug auf die Tribüne im Ronhof, selbstverständlich mit
Gattin und Kindern, war ein gesellschaftliches Ereignis.
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1909: Bis zum Bau des Ronhofs 1910 spielte das Kleeblatt an der Vacher Straße - mit Blick auf das Fürther Rathaus
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Dem Verein waren somit große finanzielle Möglichkeiten an die Hand
gegeben. Hatte der Kassenwart im Jahr 1903 ganze 168 Mark
eingenommen, waren es im Jahr 1910 bereits 14205. Der 1910 erbaute
Ronhof war die Basis für den Erfolg. Das größte Sportgelände des
Deutschen Reiches bot Möglichkeiten zur Expansion. Der Fußball war
in wenigen Jahren vom belächelten Hirngespinst zu dem
Freizeitereignis schlechthin geworden. Beim Eröffnungsspiel des
Ronhofs waren gegen den amtierenden Meister Karlsruher FV bereits
8000 Besucher gezählt worden.
Mit dem englischen Trainer Townley gewann die SpVgg 1914 die
Deutsche Meisterschaft. Der Erste Weltkrieg unterbrach die
Entwicklung, doch danach war die SpVgg zusammen mit dem Club das
Maß der Dinge.
Die Turbulenzen der zwanziger Jahre mit ihren politischen
Umwälzungen und der Weltwirtschaftskrise schienen an der SpVgg
relativ spurlos vorüber zu gehen. Zu tief war der Verein auch in
der Stadt verwurzelt, die Führung setzte sich - bis in die 50er
Jahre - zusammen aus wohlhabenden Geschäftsleuten, städtischen
Beamten oder Mandatsträgern. So konnte man, was auch damals schon
einiges Geld kostete, eine starke Mannschaft entwickeln, die beiden
Meistertitel 1926 und 1929 waren das Ergebnis.
Stagnation erfasste den Verein während des dritten Reiches. 1933
wurde auch die SpVgg gleichgeschalten und erhielt eine NS-konforme
Führung, an deren Spitze man als Strohmann den Gründervater
Michael Wolfsgruber stellte. Auch die SpVgg, die viele jüdische
Geschäftsleute zu ihren Unterstützern gezählt hatte, war dabei,
als am 10. April 1933 alle süddeutschen Spitzenklubs ihre
jüdischen Mitglieder ausschlossen. Sportlich konnte die SpVgg nicht
mehr an vergangene Erfolge anschließen.
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Die 50er Jahre: Vor, hinter und auf der alten Anzeigetafel im Ronhof drängen sich Unmengen von Zuschauern um das Spiel ihrer Lieblingsmannschaft zu beobachten.
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Nach dem Krieg bekam der Verein den zunächst von den Amerikanern
beschlagnahmten Ronhof wieder zurück und setzte auf eine junge
Mannschaft mit eigenen Talenten. Die musste zwar 1948 erstmals in
der Vereinsgeschichte in die Zweitklassigkeit, stieg aber sogleich
wieder auf, wurde 1950 süddeutscher Meister und scheiterte erst im
Halbfinale am VfB Stuttgart. Die Oberligazeit bis 1963 brachte zwar
Spitzenfußball am Laubenweg, doch als die Bundesliga begann, war
die SpVgg wie viele Traditionsvereine außen vor. Langsam aber
sicher wendete sich nicht nur das Publikum, sondern auch Wirtschaft
und Politik, immer mehr ab vom Kleeblatt. Versuche, mit Max Grundig
oder Gustav Schickedanz in ein Boot zu steigen, scheiterten. Die
prekäre finanzielle Lage zwang 1983 zum Verkauf des Ronhofs. Erst
in den letzten Jahren hat sich das Bild wieder gewendet. Die nach
dem Beitritt des TSV Vestenbergsgreuth in den Profifußball
zurückgekehrten Kicker vom Laubenweg begeistern wieder vor allem
die jüngste Generation. Nun, nach jahrzehntelangem Kampf um die
Existenz sind die Aussichten an der Schwelle zum zweiten Jahrhundert
der Vereinsgeschichte wieder positiv.
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Jürgen Schmidt
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