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Saison 1956/1957
6. Spieltag - So., 30.09.1956, 15:00 Uhr
1. FC Nürnberg - SpVgg Fürth
2:7 (1:3)
175. Derby

Mit ehrlichen, leidenschaftslosen Herzen krönten die 25 000 den Derby-Sieger Kleeblatt! Welch wunderbares Spiel, welche packende Dramatik, aus der sich mit unbarmherzigen Schlägen (für die Club-Anhänger) langsam aber sicher wie beim Räderwerk eines lautenden Motors die Entscheidung abzeichnete - 1:4, 1:5, 1:6, 2:6, 2:7! Wann sah Nürnberg-Fürth je so ein torreiches Lokalspiel? Wann triumphierte Fürth über seinen Nachbarn je so sicher, so klug und beherrscht? Fragen, auf die sich die meisten keine Antwort geben konnten. Kopfschüttelnd, erregt debattierend und von Fürths bezauberndem Spielfluss begeistert, zogen die 25 000 aus dem Zabo...
2:7 - einer Sensation? Nach den Toren: ja. Wer aber mit offenen Augen in den letzten Wochen in Ronhof weilte, wer sah, wie sich aus der in der vergangenen Saison abstiegsbedrohten Fürther Elf die Unsicherheit löste und unter „Bumbes" Schmidts Training und nach dem Einbau von Halbstürmer Kuhnert Selbstzuversicht und eine bis dahin ungekannte mannschaftliche Geschlossenheit einkehrte, wer das alles sah, den verwunderte Fürths Sieg keineswegs.
Der Chronist brauchte den dreifachen Platz, wollte er alle entscheidenden Szenen dieses lange unvergesslichen Spiels skizzieren. Nur minutenlang war das Kleeblatt gefährdet: als Müllers Direktschuss (beim 0:0) an die Latte krachte, Geißler (0:1) einen Nahschuss Zengers hielt und Minuten nach dem 0:2 Scheuring einen Elfmeter für den Club hätte geben können. Doch auch in diesen Minuten glänzte Fürths Stärke, die taktische Marschroute, nichts dem Zufall überlassen, sondern mit Kombinationen wie am Fließband das Spiel zu entscheiden. Nerven gehörten dazu, glänzendes Spielverständnis und überlegene Technik am Ball, im Freistellen, im Sich-Anbieten! Das Kleeblatt besaß all diese Eigenschaften, und es spielte sie aus, so kaltschnäuzig und erfolgreich, dass der Ruf der „Club"-Abwehr schweren Schaden litt.
Einem gebührt die Krone: Max Appis. Nicht dem Torschützen, dem Spieler, dem Lenker und Regisseur Appis! Wie er seine Kameraden einsetzte und sie in die richtige Position führte, das blieb an diesem Tag im Zabo unerreicht. Traumhaft sicher, elegant und mit trockener Entschlusskraft trumpften Kuhnert, Landleiter, Gottinger und der wieselflinke Schmidt auf. Im Start nach dem Ball, im Spielverständnis untereinander waren sie ihrem Gegner um Klassen überlegen.
Selbst Maxl Morlock schüttelte den Kopf, als Fürths Angriff ein verwirrendes Kombinationsspiel entfesselte, gegen das die Club-Abwehr, noch vor Wochen als das Rückgrat der Mannschaft betrachtet, kein Gegenmittel fand. Und der Sturm? Er arbeitete viel zu durchsichtig, steil und ungenau, um solch routinierte Hasen wie Mai, der Glomb sicher beherrschte, Erhard, Engelhardt und Koch aus dem Gleichgewicht zu bringen. Einige schöne Ansätze und herzhafte Schüsse zeigten, was in den Jungen steckt. Es reichte diesmal jedoch nicht aus. Auch als Maxl Morlock nach der Pause in den Angriff wechselte, blieb der erhoffte Umschwung aus. In wenigen Minuten hatte Fürths umsichtige Deckung das jäh auflodernde Club-Feuer gelöscht. Aus der scheinbaren Überlegenheit Nürnbergs entwickelte sich mit zwei, drei Ball-Passagen eine torreife Situation für den Fürther Gast. Und Schmidt, Landleiter, Gottinger nützten fast jede aus. . .
Freilich waren die Deckungslücken beim Club hauptverantwortlich für den Untergang. Bundschuh konnte Landleiter nie an die Kette legen, Ucko-Zeitler verloren die Übersicht, als Ihre Gegner wie im Training rochierten und sich mit erstaunlicher Ruhe die Bälle zuschoben. Auch war Kreißel, ein junger Nachwuchsspieler, bei seinem Einstand noch keine vollwertige Kraft.
Diese Entschuldigungen dürfen Fürths glänzende Leistung nicht schmälern. Wie besessen von dem Gedanken, gutzumachen, was in der vergangenen Saison versäumt worden war, spielte sich das Kleeblatt in einen wahren Fußballrausch hinein. Unbarmherzig legte es die Lücken in der Club-Abwehr bloß, dass die Nürnberger staunten. Wenn der Erfolg ihnen nicht in den Kopf steigt, nun mit beiden Beinen auf dem Boden bleibt - vielleicht ist es nicht übertrieben, dieser Elf einen der vorderen Tabellenplätze zuzuschreiben. Die Kraft und die Stärke hierzu hat sie.
Das schönste Tor? Effektvoll, wuchtig waren sie alle. Das erste von Gottinger raffiniert eingelenkt, Kuhnerts Schüsse hatten Kraft und Saft, auch Zengers 2:6, ein Fernschuss aus 20 Metern hart unter die Latte. Dennoch: Das schönste war Nummer fünf! Wie an einer Schnur tanzte der Ball von Gottinger zu Appis, zurück zu Gottinger, Vorlage an Kuhnert, der quer zu dem freigelaufenen Schmidt passte. Schuss - Tor! Wie im Training! Wie aus der Fußball-Fibel! Nein, wie eben Fürth spielte, als es an diesem Sonntag den Club hinwegzauberte, wie selten zuvor...

"Invasion vom Gänsberg
Gut zwanzig Jahre sind es her, dass der Spezi das nicht mehr ganz blütenweiße Betttuch seiner kleinen Schwester in der Mitte auseinander geschnitten hat und mit tiefer Ehrfurcht und einem roten Zwirnsfaden in die Nürnberger Nationalflagge "1.FCN" eingenäht hat.
Am anderen Tag hat der Club gegen Schwaben Augsburg drei oder vier zu null gewonnen, und der Spezi ist aus dem Siegestaumel erst wieder erwacht, als er von seiner Mutter zwei satte Schelln gefasst hat. Wegen des schalen Schlucks Bier, den er auf den ersten Clubsieg seines Lebens genommen hat, und dem zerschnittenen Leinentuch.
Trotzdem ist er seit jenem eiskalten Januar-Sonntag ein ganz heißer Fan von den Zerzabelshofer Ballstolperern. Weil ihm ein zittriges Autogramm vom Schaffers Edi mehr am Herzen gelegen ist als die unregelmäßigen Verben vom Assessor Bittner und das grüne Sportmagazin am Montag interessanter war als der Dritte Punische Krieg, hat der Spezi im Realgymnasium eine einjährige Ehrenrunde einlegen müssen. Dribbelkunde und Zabologie sind leider nicht am Stundenplan gestanden.
Aber trotz des Stammplatzes am Ehrenmal im alten Schorsch-Kennemann-Gedächtnis-Stadion und dem schwarzroten Clubherz hätte der Spezi den Holzhackern von der Sportparkstarße einmal beinahe seine Freundschaft aufgekündigt. Im September 1956.
Auf den Plakaten ist der Nürnberg-Fürther Erbfolge-Krieg schon zwei Wochen lang ausgeschrieben gewesen. An der Stadtgrenze war zwar Gesichtskontrolle, aber der Spezi hat diesseits der streng bewachten Grenze trotzdem noch nie so viele Fürther auf einmal gesehen.
"Väir odder fimbf", hat ein Stehplatz-Kommilitone vermutet, "kennt mer die Blousärsch heit scho neijubln." Nach seiner kühnen Prognose hat er sich sofort verzogen, weil knapp neben seiner Nase eine grünweiße Fahne und ein Spazierstock eingeschlagen haben. "Mir wern der scho zeing", hat der Fahnenjunker im astreinen Gänsberg-Slang verkündet, "wer di Blousärsch sin. Wenn ihr Hulzhauer an Bungd macht heit, nou kennter frouh sei."
Es ist aber viel schlimmer gekommen. Neunzig Minuten lang sind die Favoriten vom Spezi in der Herbstsonne gestanden, als wäre es der Fachkongress von Schneckenzüchtern gewesen, und der Schaffer ist auf der Linie gestanden wie das steinerne Schillerdenkmal im Stadtpark.
Der Gottinger, der Kuhnert und der Landleiter haben in regelmäßigen Abständen ihre Tore geschossen. Drei vor der Pause und vier danach, sieben Stück sind es am Schluss gewesen.
In Fürth war Kirchweih und in Nürnberg Weltuntergang. Auf dem Heimweg nach Mögeldorf ist hinter dem Spezi ein Philosoph gelaufen. "Suu is es Lehm", hat der dauernd gemurmelt. Beim Schrotthändler am Bombenweiher ist er nach rechts abgebogen in die Schrebergärten."
Aus: Der Spezi unterwegs... , Klaus Schamberger, Sigena-Verlag Nürnberg, 1974

Vorspiel der Reserven: 1. FC Nürnberg - SpVgg Fürth 3:1

Pitt

1. FC Nürnberg: Schaffer - Bundschuh, Ucko - Morlock, Knoll, Zeitler - Schmidt, Müller, Glomb, Zenger, Kreißel - Trainer: Franz Binder
SpVgg Fürth: Geißler - Engelhardt, Koch - Bauer, Mai, Erhard - Gottinger, Schmidt, Appis, Kuhnert, Landleiter - Trainer: Hans Schmidt
Tore: 0:1 Gottinger (11.), 0:2 Kuhnert (27.), 0:3 Kuhnert (40.), 1:3 Glomb (41.), 1:4 Gottinger (53.), 1:5 Schmidt (67.), 1:6 Schmidt (78.), 2:6 Zenger (81.), 2:7 Landleiter (83.)
Schiedsrichter: Scheuring (Schweinfurt)
Zuschauer: 25000
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