suche   |   kontakt  
  spieldetails   startseite » saison 1949/50 » lizenzmannschaft » oberliga sã¼d
Saison 1949/1950
DM-Endrunde - Viertelfinale - So., 04.06.1950, 15:00 Uhr
FC St. Pauli - SpVgg Fürth
1:2 (0:2)
Die Hitze tritt lähmend ein. Sie drängt die Menschen in die Freibäder. An den Böschungen der Autobahn Köln-Hannover lagerten Tausende im Schatten von Büschen und Bäumen und als man die Glückauf-Kampfbahn in Schalke eine Viertelstunde vor Beginn betritt, sieht man halbleere Kurven. Auf den Längsseiten stehen die weißen und bunten Hemden der Männer nicht in drangvoll fürchterlicher Enge zusammen, man steht oder sitzt bequem. Als die Mannschaften einlaufen, sind knapp 20 000 auf jenen Platz gekommen, der vor gut zwei Monaten beim Spiel Schalke gegen Dortmund gestürmt worden war. Diesmal fliegen keine Bierflaschen oder Steine in den Innenraum. Der kleine Fürther Anhang, der Fähnchen mit dem Kleeblatt schwenkt, verschwindet in der Masse der Westdeutschen. Auch der Hamburger Block kommt kaum zur Geltung. Minuten vor Beginn läuft durch den Lautsprecher die Platte „... im Hafen von St. Pauli" ab. Sollte sie ein Sympathiebeweis für die Norddeutschen sein?

Die ersten Minuten tauchen den Kampf in eine erregende Atmosphäre. Als Hoffmann beim ersten Angriff der Fürther allein durchläuft, dicht vor dem Strafraum mit Stender karamboliert, gibt es die ersten Pfiffe. Der blonde Athlet fasst sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an den Oberschenkel. Auf der Gegenseite nimmt Vorläufer den durchreißenden kleinen Kruppa. Der St. Pauli-Stürmer bleibt schwer angeschlagen liegen, steht humpelnd wieder auf und ist für die Dauer des gesamten Spiels ein Statist. Es gibt in diesen ersten zehn Minuten Unsportlichkeiten am laufenden Band, kleine Revanchen, die böse Szenen heraufbeschwören und dem Spiel eine hässliche Note geben. Und man hat jetzt schon den Eindruck, dass der Berliner Schiedsrichter keineswegs ein erstklassiger Referee ist.

Schades Schatten: Dzur

Die große Enttäuschung bleibt die Spielvereinigung Fürth. Die „Kleeblättler" wollen den Kampf aus dem Stand heraus gewinnen. Einige Male kommt besonders der linke Flügel Nöth - Appis hervorragend zur Geltung, aber alles wird im Zeitlupentempo gemacht und man fühlt auf der Tribüne was kommt, wenn nur die beiden Halbstürmer am Ball sind. Schade, meist weit vorgezogen, kommt an dem stämmigen Dzur nicht einmal vorbei. Der Ex-Dresdener steht von der ersten bis zu letzten Minute unerschütterlich. Schade war und blieb ihm verhaftet. Ob deshalb die Missstimmung im Publikum um sich greift, die in der zweiten Halbzeit wie Peitschenschläge auf die Mannschaft herunterprasselt, die in den blauen Hemden der Schalker und in schwarzen Hosen spielt?

Nicht Fürth — St. Pauli drängt

Jedenfalls ist St. Pauli, das husarenmäßig die Angriffe aufzieht, in der ersten Halbzeit in Zimmermann einen hervorragenden, Plawky sehr oft ausmanövrierenden Rechtsaußen und in dem rotblonden Beck nach dem Wechsel einen nicht minder gefährlichen Flügelstürmer hat, die weitaus wirkungsvoller stürmende Mannschaft. Als Goth nach genau fünfzehn Minuten einen Kopfball von Kruppa In fantastischem Sprung hält, als er wenig später einen Weitschuss des immer mehr zum allgegenwärtigen Spieler im Felde werdenden Liese um den Pfosten biegt, spürt man die Gefahr, die hinter den vielen Hamburger Vorstößen sitzt. St. Pauli ist völlig überraschend über die Rolle des vermeintlichen Außenseiters hinausgewachsen und liefert dem Meister aus dem Süden, der nicht in Schwung kommen will, in diesen Minuten in der Schalker Glückauf-Kampfbahn einen Kampf auf Biegen und Brechen. Weitschüsse der Seitenläufer Helbig und Sieber gehen knapp an Schönbecks Pfosten vorbei. Zweimal gibt es Freistöße für Fürth; den ersten knallt Helbig blind in die dichtgezogene braun-weiße Abwehrmauer, den zweiten schießt Schade. Dzur wackelt zwar etwas mit dem Kopf, als er den Zentnerschuss abwehrt, aber es wird keine Gefahr für St. Pauli daraus.

Sturmwirbel schafft 2:0

In den letzten zehn Minuten dieser ersten Halbzeit fallen zwei Tore für die Mannschaft, die man nicht mehr in Front erwartet hatte. Und doch vermittelt Fürth auf dieser kurzen Strecke, auf der die Angriffe nicht abreißen, die die Stürmer in fliegenden Positionswechseln inszenieren, etwas von der Geschmeidigkeit und Gefährlichkeit, die die Mannschaft in den vielen harten Kämpfen der Oberliga Süd ausgezeichnet haben müssen.

In der 36. Minute hat Nöth den zögernden Appel passiert, Appis ist in die Gasse gelaufen und schießt scharf und hoch. Schönbeck, der Sekunden vorher im Fallen einen Zwei-Meter-Schuss von Brenzke um den Pfosten gedreht hat, greift daneben und Hempel kann nur noch beide Hände bei der Abwehr zu Hilfe nehmen. Es gibt Elfmeter. Schade legt den Ball auf den Punkt. Aber nicht er, sondern Brenzke schießt scharf und unhaltbar ins Netz. In der 44. Minute ist der Vorsprung der „Kleeblättler" auf 2:0 angewachsen. Hoffmann gibt einen Eckball bildhaft schön auf den Elfmeterpunkt, Nöth startet blitzartig nach innen, schreit so laut „weg da", dass man es auf der Tribüne hören kann. Und in der nächsten Sekunde pfeift der Schuss dicht und scharf ins Netz.

Nach kaum zehn Minuten Pause geht es weiter. Es gibt starken Beifall für St. Pauli und als die Mannschaft nach drei Minuten durch Zimmermann das Anschlusstor schießt, schwenkt die Stimmung der Massen endgültig um und St. Pauli hat die Sympathie des westdeutschen Publikums erobert. Ob die Massen mit der schwächeren Mannschaft gehen wollen?

Vorläufer hielt 2:1

Fürth kommt und kommt nicht in Schwung. Ein Mann vor uns brüllt mit starker Stimme: „Wo bleibt die Wundermannschaft?" Und er hat die Lacher auf seiner Seite. Die kleinen Revanchen reißen nicht ab. Plötzlich wankt Plawky mit blutüberströmtem Gesicht an der Tribüne vorbei. Nöth geht in die Verteidigung zurück, wo Mittelläufer Vorläufer mehr und mehr zum Turm in der Schlacht der „Kleeblättler" wird. Hamburgs Seitenläufer Liese und Stender werfen ihren Angriff immer wieder nach vorn und es ist wilde und letzte Verzweiflung, mit der St. Pauli losstürmt. Goth, Frosch, Vorläufer und Brenzke stoppen immer wieder die Vorstöße St. Paulis. Eine Viertelstunde vor Schluss erscheint Plawky mit Kopfverband wieder. Fürth weiß, dass der wertvolle Vorsprung gehalten werden muss. Schneider gibt von der Seitenlinie Instruktionen, bis man ihn in die Zuschauerränge zurückdrängt.

In den letzten zehn Minuten ist Fürth die bessere Mannschaft, aber sie kann mit ihren vielen guten Chancen gegen den total abgekämpften Gegner nichts mehr anfangen. Die Spieler sinken vor Erschöpfung um. Man ist froh, dass die Verlängerung erspart bleibt.

Wo blieb Fürths Sturm?

Die Spielvereinigung Fürth hat zweifellos weit unter Form gespielt. Die Mannschaft war völlig überraschend im Angriff ungefährlich. Weder Schade noch Hoffmann, weder Brenzke noch Appis erfüllten die hochgeschraubten Erwartungen und man kann schon verstehen, dass eine Mannschaft wie Horst die Fürther an den Rande des K.o. gebracht hat. Mittelläufer Vorläufer, der brillante Seitenläufer Helbig, der schnelle Linksaußen Nöth und der Tormann Goth sind die großen Spieler gewesen, denen die Elf in erster Linie den Eintritt in die Vorschlussrunde zu verdanken hat. Ich habe die Spielvereinigung Fürth in ihren Glanzjahren gesehen. Was die Nachfahren der Seiderer, Franz und Leinberger in Schalke zeigten, war nicht mehr als die Durchschnittsleistung einer westdeutschen Oberligaelf.

Großartig gekämpft, St. Pauli!

St. Pauli war besser als erwartet. Die Mannschaft lieferte einen großartigen Kampf. Sie fightete so energisch, sie kämpfte sich immer wieder heran und sie hätte bei einigermaßen Glück die Verlängerung erzwingen können. Der lange Liese war der überragende Mann im Felde. Der kleine Hempel lieferte ein großes Spiel. Dzur war nicht zu erschüttern und im Sturm standen in Zimmermann und Sump zwei schnelle Spieler und brillante Techniker. Dass Kruppa schon nach wenigen Minuten stark angeschlagen war, ihr großes Handikap. Allerdings waren auch bei Fürth Brenzke, Appis und Hoffmann ebenfalls mehr oder weniger stark verletzt.

Der Berliner Schiedsrichter Hoppe war nicht immer Herr der Situation.

Trainer Schneider „Wir hatten Glück"!

Bundestrainer Herberger: St. Pauli versöhnte alle Pessimisten im Westen

Trotz des Sieges sah man nach dem Spiel in den Kabinen der Fürther keine glücklichen Gesichter. Alle Verantwortlichen und Spieler gaben unumwunden zu dass der Sieg ziemlich glücklich zu Stande gekommen war. Richtig freuen kann man sich daher nicht, sagte ganz richtig der Altvater der Spielvereinigung, Jäckel.

Ein Glück war nur, dass Torwart Goth einen so ausgezeichneten Tag erwischt hatte. Als dann Walter Dzur beim Umkleiden sich bei den Fürthern einband und seine Glückwünsche in sportkameradschaftlicher Art seinem ehemaligen Clubkameraden Horst Schade und dem Trainer Helmut Schneider übermittelte, waren alle die vielen kleinen Aufregungen und Spannungen des Spiels überwunden.

Einer musste ja gewinnen, sagte Helmut Schneider zum tadellosen Mittelläufer der St. Paulianer, schlug ihm dabei die Hand auf die Schulter und gab unumwunden zu: „Heute waren wir eben die Glücklicheren!" Bei den Hamburgern war man ziemlich geknickt, dass der Sturm es nicht fertig gebracht hatte, aus den vielen Chancen nicht doch noch den Sieg herauszuschießen.

Torwart Schönbeck erklärte offen, dass sich seine Mannschaft keine allzu großen Hoffnungen für das Gelsenkirchener Spiel gemacht hatte. Nachdem aber das Spiel von der Läuferreihe so gut gelaufen war, bedauerte er die unglückliche Niederlage umso mehr. Trainer Risse sieht den Hauptgrund zur Niederlage im frühen Ausfall Kruppas. Nach einer Verletzung in der zweiten Minute sofort als Statist auf Rechtsaußen gestellt, fiel dieser Spieler während des ganzen Spiels aus. Auch Spiel-Obmann und Altinternationaler Karl Miller schloss sich dieser Meinung an.

Schließlich tauchte noch Bundestrainer Seppl Herberger bei den Hamburgern auf und bestätigte das was fast alle gesagt hatten, mit den Worten: „Mindestens zehn todsichere Sachen habt ihr ausgelassen" klopfte dabei Karl Miller anerkennend auf die Schulter, als ob er sagen wollte: „Also, auf ein Neues, St. Pauli! Viel geschmäht in den letzten Wochen, habt ihr im Westen ein großes Spiel gezeigt, das alle wieder mit euch versöhnt haben wird."
FC St. Pauli: Schönbeck - Appel, Hempel - Liese, Dzur, Stender - Zimmermann, Kruppa, Boller, Sump, Beck - Trainer: Walter Risse
SpVgg Fürth: Goth - Frosch, Plawky - Helbig, Vorläufer, Sieber - Hoffmann, Brenzke, Schade, Appis, Nöth - Trainer: Helmut Schneider
Tore: 0:1 Brenzke (36., Handelfmeter), 0:2 Nöth (44.), 1:2 Zimmermann (48.)
Schiedsrichter: Hoppe (Berlin)
Zuschauer: 28000
Spielort: Gelsenkirchen
Ist uns ein Fehler unterlaufen oder könnt Ihr weitere Informationen geben?
Dann schreibt uns bitte eine E-Mail!
« zurück
vorschau frauen
SV Kirchberg im Wald

SV Kirchberg im Wald
Sa., 04.05.2024
14:30 Uhr
vorschau frauen2
SpVgg Erlangen

SpVgg Erlangen
So., 05.05.2024
17:00 Uhr